Stimmungsbarometer

Wie bewerten Hochschulleitungen im Jahr 2021 die Lage und die Entwicklung ihrer Hochschulen? Welche Veränderungen seit der ersten Befragung im Jahr 2011 lassen sich ausmachen?

Antworten darauf gibt der Stifterverband-Index zur Lage der Hochschulen, der die Einschätzungen der Hochschulleitungen zu 17 zentralen Handlungsfeldern der Hochschulen zusammenfasst. Der Lageindex wird auf einer Skala von minus 100 (sehr negative Bewertung) bis plus 100 Punkten (sehr positive Bewertung) gemessen. Erfasst werden rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, Kooperationsbeziehungen sowie die Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre.

Insgesamt ist die Stimmung unter den Hochschulleitungen eher positiv. Die aktuelle Situation bewerten die Leitungen zwar etwas weniger gut als noch im Vorjahr, allerdings immer noch besser als im Durchschnitt der vorherigen Befragungen. Die Ergebnisse unterscheiden sich teils stark nach einzelnen Indikatoren sowie nach Hochschultyp oder Trägerschaft.

 

Stimmungslage an den Hochschulen

Der Stifterverband-Index für die Lage der Hochschulen liegt für 2021 bei 29,5 Punkten auf einer Skala von minus 100 (negativ) bis plus 100 (positiv) Punkten. Damit bewerten die Hochschulleitungen ihre Situation weiterhin als eher positiv.

Auch wenn der Wert im Vergleich zur Bewertung im Jahr 2020 um 4,9 Punkte niedriger ausfällt, so ist er im Vergleich zum gesamten Erhebungszeitraum des Hochschul-Barometers (seit 2011) immer noch auf gehobenem Niveau.

Dabei geht der Index-Wert gegenüber dem Vorjahr unter allen Hochschultypen nicht gleichermaßen zurück: So sinkt er besonders stark bei privaten Fachhochschulen und Universitäten, die durch die Exzellenzstrategie gefördert werden. Im Gegensatz dazu bewerten kirchliche Hochschulen ihre Lage deutlich besser als noch im Vorjahr. Insgesamt bleiben wie im Vorjahr staatliche Universitäten ohne Exzellenzförderung am unteren Ende des Stimmungsvergleichs.

Bewertung der Hochschulbereiche

Der Stifterverband-Index für die Lage fasst die Bewertung von drei Themenbereichen der Hochschulen zusammen: Rahmenbedingungen, Außenbeziehungen und Wettbewerbsfähigkeit. In allen drei Bereichen ließen sich während der COVID-19-Pandemie Veränderungen erkennen, die beispielsweise mit einem Digitalisierungsschub in Forschung und Lehre oder sinkenden Möglichkeiten der Kooperation mit nicht-akademischen Partnern zusammenhingen.

Während die Rahmenbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit in der Pandemie eher besser bewertet wurden, fallen die Werte nun wieder auf das Niveau aus dem Jahr 2019 zurück. Bei den Rahmenbedingungen liegt der Rückgang vor allem an der schlechteren Bewertung durch die staatlichen Hochschulen, insbesondere durch die Universitäten. Bei der Wettbewerbsfähigkeit sind es die privaten Hochschulen, die leicht unter dem Mittelwert liegen.

Die Einschätzung der Kooperationsbeziehungen zu gesellschaftlichen Partnern hat sich dagegen gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert, liegt aber weiterhin etwas unter dem Wert vor der COVID-19-Pandemie. Ein Grund dafür können die fortbestehenden Einschränkungen persönlicher Kontakte auch im Winter 2021 / 2022 (Zeitraum der Befragung) sein.

Rahmenbedingungen im Detail

Vier Kategorien messen die Veränderungen bei den Rahmenbedingungen aus Sicht der Hochschulleitungen. In allen vier verschlechtert sich die Bewertung gegenüber dem Vorjahr zumindest leicht. Während der Rückgang in der Zufriedenheit mit der infrastrukturellen Ausstattung der Hochschulen eher gering ist, geht der Anteil der Hochschulleitungen, die die Finanzierungssituation als (eher) positiv beurteilen, um zehn Prozentpunkte zurück, bei der Personalsituation sind es sieben Prozentpunkte. Beide Kategorien lagen allerdings im Vorjahr mit Beginn der COVID-19-Pandemie deutlich über den Durchschnittswerten der vergangenen Jahre.

Ein Rückgang ist auch bei der Bewertung der Hochschulautonomie zu beobachten, allerdings auf einem deutlich höheren Gesamtniveau: Mit mehr als zwei Dritteln der Hochschulen ist nach wie vor eine große Mehrheit der Hochschulen zufrieden mit dem Grad der Eigenständigkeit. Dennoch bestehen auch hier Unterschiede. So sind Hochschulen in privater und kirchlicher Trägerschaft in dieser und der vergangenen Befragung teils deutlich zufriedener mit ihrer Autonomie.

 
Universitäten, die durch die Exzellenzstrategie gefördert werden, zeigen sich mit den Rahmenbedingungen deutlich unzufriedener als noch im Vorjahr. Die Folge: Waren in früheren Jahren die Bewertungen in den vier untersuchten Kategorien noch deutlich besser als bei nicht geförderten Hochschulen, bestehen in der aktuellen Befragung keine nennenswerten Unterschiede mehr. Obwohl sich an der realen Lage wenig geändert hat, ist diese Angleichung möglicherweise Ausdruck der Schwerpunktsetzung in der Hochschulpolitik durch die neue Bundesregierung. Denn in der größten geplanten Fördermaßnahme, der Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI), wären laut Koalitionsvertrag viele der durch die Exzellenzstrategie geförderten Universitäten aufgrund ihrer Größe nicht förderberechtigt.

Kooperationsbeziehungen im Detail

Die Hochschulen in Deutschland bewerten das gesellschaftliche Klima für Hochschulen als (eher) positiv. Fast drei Viertel der Hochschulleitungen teilen diese Einschätzung. Allerdings zeichnet sich in den vergangenen zwei Jahren ein leichter Rückgang ab. Das gilt insbesondere für die staatlichen Hochschulen. Der Anteil der Hochschulleitungen unter ihnen, die das gesellschaftliche Klima als (eher) positiv einschätzen, fiel um 17 Prozentpunkte.

Ein diverses Bild ergibt sich bei der Bewertung der Zusammenarbeit mit einzelnen gesellschaftlichen Partnern durch die Hochschulleitungen. Im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie (Befragung: Juli 2020) litt insbesondere die Kooperation mit Schulen, Hochschulen im Ausland, Unternehmen und Zivilgesellschaft. Diese Bereiche haben sich inzwischen wieder erholt, aber noch nicht das Niveau vor der Pandemie erreicht. Gut durch die Krise kam der Austausch mit anderen Hochschulen in Deutschland. Die Zusammenarbeit mit inländischen  Hochschulen wird im Vergleich zu den anderen Partnern mittlerweile am besten bewertet.

Wettbewerbsfähigkeit im Detail

Das Hochschul-Barometer erhebt drei unterschiedliche Indikatoren zur Messung der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen: die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Lehre, der eigenen Forschung und des Hochschulstandorts Deutschland. Die Hochschulen schätzen alle drei Bereiche schlechter ein als noch im Vorjahr. Am auffälligsten ist dabei die Bewertung der Lehre: Im Vergleich zum Vorjahr sinkt der Wert um mehr als zehn Prozentpunkte. Das liegt vor allem an der schlechteren Bewertung durch die staatlichen Hochschulen. Der pandemiebedingte Wechsel von Präsenzlehre auf digitale und inzwischen oft hybride Lehre scheint hier nicht folgenlos zu bleiben.

Bei der Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit der Forschung liegen die durch die Exzellenzstrategie geförderten Universitäten weit vor den anderen Hochschulen. Fast 90 Prozent der jeweiligen Hochschulleitungen bewerten sie als (eher) gut. Im Vergleich dazu tut dies unter den nicht geförderten Universitäten nur etwas mehr als die Hälfte. Dieser Unterschied zwischen beiden Gruppen lässt sich auch über die vergangenen Jahre hinweg beobachten. Aus Sicht der geförderten Universitäten erfüllt die Exzellenzstrategie damit ihr Ziel,  Spitzenforschung zu fördern.

Hochschulpolitik aktuell

Hochschulpolitisch hat sich die neue Bundesregierung viel vorgenommen. Daher hat der Stifterverband die Hochschulleitungen gebeten, die verschiedenen Vorhaben im Bereich der Hochschulpolitik nach Wichtigkeit für den Hochschulstandort Deutschland zu bewerten, indem sie 100 Punkte verteilen. Über alle Hochschulen hinweg entfielen dabei im Schnitt die meisten Punkte auf die Dynamisierung des Zukunftsvertrags "Studium und Lehre stärken" (19,4 Punkte), dicht gefolgt vom Bundesprogramm "Digitale Hochschule" (17,9 Punkte) sowie von der geplanten Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI; 16,8). Damit liegen die mit Förderbudgets verbundenen Vorhaben vor anderen Projekten wie Veränderungen beim Kapazitätsrecht oder beschleunigten Förderverfahren.

Wenig überraschend ist dabei, dass Universitäten den Ausbau der Exzellenzstrategie deutlich höher gewichten als Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), die wiederum stärker für eine DATI plädieren. Beide Förderprogramme nehmen jeweils eine der beiden Hochschultypen als Begünstigte in den Blick. Eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes steht auch  icht weit oben auf der bevorzugten Agenda der Hochschulen, trotz öffentlicher Debatte (#ichbinhanna) über die Arbeitssituation des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zur Entspannung dieser Reformbaustelle befürworten die Hochschulen vor allem die Schaffung von reinen Lehr- und Forschungsstellen und die Qualifizierung für eine Beschäftigung außerhalb der Hochschule.