Brexit und die europäische Hochschulpolitik

Das Hochschul-Barometer 2021 befasst sich damit, wie die Hochschulen in Deutschland den Verlust ihrer britischen Partner bewerten und welche Auswirkungen sie in der Zukunft erwarten. Zudem wurden die Hochschulleitungen zu ihren Erwartungen an Horizon Europe befragt.

Die Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen, stellt einen gravierenden Einschnitt in der Geschichte der europäischen Integration dar. Auch an den Hochschulen gehen die Auswirkungen dieser Entscheidung nicht spurlos vorüber. So nehmen die britischen Universitäten beispielsweise nicht mehr am Studierendenaustauschprogramm Erasmus+ teil und auch die eigentlich angedachte Teilnahme am neuen Horizon-Europe-Programm zur Forschungsförderung ist noch nicht sicher. Bereits jetzt zieht der Brexit Auswirkungen für die europäische Hochschulwelt nach sich: So hat sich die Zahl der deutschen Studierenden in Großbritannien im Vergleich zum Vorjahr halbiert und seit der Entscheidung zum Brexit verlassen immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Vereinigte Königreich.

 

Überwiegende Mehrheit sieht Brexit negativ

Wird Großbritannien durch den Brexit unattraktiver für international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder lockt der Austritt aus dem Erasmus+-Programm weniger internationale Studierende auf die Insel? Der Brexit könnte durchaus zu einem Vorteil für die deutschen Hochschulen werden. Dies erwarten die Hochschulleitungen jedoch nur zu einem kleinen Teil. So glauben weniger als ein Drittel der Hochschulleitungen an eine Stärkung des Hochschulstandortes Deutschland durch den Brexit. Am ehesten erhoffen sich die Hochschulen noch Vorteile im Wettbewerb um internationale Studierende. Dies geben knapp 30 Prozent an, unter den privaten Hochschulen sind es immerhin 38,9 Prozent. Vorteile im Wettbewerb um Forschende sowie um Fördermittel spielen im Vergleich dazu eine geringere Rolle. Die große Mehrheit der Hochschulleitungen bewertet auch insgesamt den Austritt des Vereinigten Königreichs als Verlust für die europäische Forschungslandschaft. Zudem geben neun von zehn Hochschulen an, durch den Brexit wichtige Partner im Ausland zu verlieren.

Auswirkungen des Brexits bereits spürbar

Die Auswirkungen des Brexits zeigen sich bereits bei beobachteten und erwarteten Veränderungen in der Zahl ausländischer Forschender, Studierender und Forschungskooperationen mit Hochschulen im Ausland. Die größten Veränderungen betreffen die Studierenden. 41 Prozent der Hochschulleitungen erkennen bereits für das vergangene Jahr einen Rückgang britischer Studierender, 61 Prozent erwarten das (auch) für die Zukunft. Während aktuell erst ein Viertel der Hochschulen weniger Forschungskooperationen mit dem Vereinigten Königreich beobachtet, prognostiziert das über die Hälfte für die nächsten fünf Jahre. In die umgekehrte Richtung weisen die aktuellen Zahlen und Erwartungen für andere Länder. Die Hochschulen sehen hier mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland, mehr internationale Studierende und mehr Forschungskooperationen. Der Vergleich zeigt, wie sehr der Brexit den Trend zu mehr internationalem Austausch und Zusammenarbeit in der Hochschulwelt durchbricht. Als Konsequenz können die deutschen Hochschulen zumindest einen Teil der Folgen durch Partnerschaften mit anderen Ländern kompensieren.

Enge Zusammenarbeit in Europa gewünscht

Ein zentraler Baustein der europäischen Forschungslandschaft ist das Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe als Nachfolger des auslaufenden Horizon 2020. In dem Ende 2020 geschlossenen Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich wurde eine Fortsetzung der Teilnahme der Briten an Horizon Europe vereinbart. Fast neun von zehn Hochschulleitungen begrüßen diese Einbindung der Briten auch in der Zukunft. Auch darüber hinaus haben die Hochschulen hohe Erwartungen an das Programm: Fast drei Viertel der Hochschulleitungen erwarten eine hohe Wirksamkeit des Programms für das Europäische Hochschulsystem, mehr als die Hälfte erhoffen sich eine hohe Wirksamkeit für die Profilbildung der eigenen Hochschule.

Damit erreicht die europäische Forschungsförderung eine vergleichbare Bedeutung für deutsche Hochschulen wie das zentrale nationale Hochschulprogramm Zukunftsvertrag Studium und Lehre (vergleiche Hochschul-Barometer 2020). Hierzu hatten circa 70 Prozent der Hochschulleitungen in der vorangehenden Befragung eine (eher) hohe Erwartung an die Wirksamkeit des Programms in Bezug auf das Hochschulsystem und die Hälfte der Befragten mit Blick auf die Wirksamkeit für die eigene Hochschule.