Wie arbeiten Hochschulen mit Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammen? Welche Themen betrachten sie als relevant für die Zukunft? Und welche Rolle spielt Interdisziplinarität für das Hochschulprofil?
Klimawandel und Pandemie, Digitalisierung und demographischer Wandel: Die Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft stellen muss, sind vielfältig und oft nur durch Zusammenarbeit über die Disziplinen hinweg und unter Einbindung der verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche zu bewältigen. Hochschulen kommt dabei als Orten der Bildung und Forschung eine zentrale Rolle zu.
Eine transformative Hochschule macht die gesellschaftlichen Herausforderungen zum Kern ihrer Forschung und Lehre und gestaltet gemeinsam mit gesellschaftlichen
Akteuren Veränderungsprozesse.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung werden sechs zentrale Forschungsfelder zum Thema Forschung und Innovation (FuI) aufgeführt. Die Hochschulleitungen haben durch Verteilen von 100 Punkten die Wichtigkeit dieser sechs Themenfelder für zukünftige Transformationsprozesse bewertet. Dabei weisen sie der Nachhaltigkeit sowie klimaneutralem Wirtschaften und der Digitalisierung eine besondere Bedeutung zu. Eigene Aktivitäten der Hochschulen zahlen auf diese gesellschaftlichen Herausforderungen ein, jedoch mit leicht anderen Schwerpunkten. Hier sehen sie sich insbesondere in den Bereichen Technologie und Digitalisierung sowie gesellschaftliche Resilienz, Geschlechtergerechtigkeit, Zusammenhalt, Demokratie und Frieden gut aufgestellt.
Zudem wurden die Hochschulen gefragt, in welche Forschungsfelder sie investieren würden, vorausgesetzt, die entsprechenden Ressourcen stehen zur Verfügung. Auch hier spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Daneben stehen die Themen Künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung, Gesundheit sowie Fragen der Teilhabe und sozialen Ungleichheit im Vordergrund.
Hochschulen können auf vielfältige Weise die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft stärken und somit einen Beitrag zur Transformation leisten. Die größte Unterstützung unter den Hochschulleitungen finden Pläne, mehr in gemeinsamen Innovationsprojekten zum Beispiel mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten sowie das inter- und transdisziplinäre Arbeiten zu fördern. Eine große Mehrheit möchte zudem verstärkt mit Akteuren der Zivilgesellschaft kooperieren und ihre Hochschulen zu Knotenpunkten mit Mittler- und Beraterfunktion im Innovationssystem entwickeln. Viele Hochschulen beabsichtigen außerdem, die Forschung stärker an globalen Themen und an aktuellen strategischen Innovationsfeldern auszurichten. Mehr Bürgerforschung will hingegen lediglich die Hälfte der Hochschulen betreiben, unter den Universitäten sind es nur etwas mehr als ein Drittel.
Darüber hinaus konnten die Hochschulen verschiedene Einflüsse auf die Profilbildung ihrer Hochschule bewerten. Nach Auskunft der Hochschulleitungen sind hierfür gesellschaftliche Herausforderungen wichtiger als wissenschaftliche und förderpolitische Faktoren.
Die Hochschulleitungen sind sich einig: Fast ausnahmslos bestätigen sie, dass Hochschulen eine zentrale Rolle bei der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft einnehmen sollen. Doch in dieser Rolle stehen auch Hochschulen durchaus vor Herausforderungen und Konflikten. Wie verändert sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wissenschaft, wenn diese nicht nur Orientierungswissen auf Basis qualitätsgesicherter Verfahren liefert, sondern aktiv bei der Planung und Umsetzung von konkreten Problemlösungen mitgestaltet? Beeinflusst politisches Engagement von einzelnen Forschenden die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse insgesamt? Wie kritisch blickt die Öffentlichkeit auf eine zunehmende Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft? Bedeuten mehr Ressourcen für Transfer und gesellschaftliches Engagement weniger Möglichkeiten für exzellente Forschung? Insgesamt überwiegt unter den Hochschulleitungen der Wille, sich als Teil der Gesellschaft auch aktiv in deren Mitgestaltung einzubringen. Doch die Befragung zeigt, dass es bei einzelnen Zielkonflikten durchaus auch unterschiedliche Meinungen gibt, beispielsweise zwischen Universitäten und HAW.
Ein Großteil der Hochschulen gibt an, sich an Transformationsprojekten vor Ort zu beteiligen und damit gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen oder zu begleiten. Für die Zusammenarbeit mit nicht-akademischen Partnern benennen die Hochschulen vielfältige Motive. Eine hohe Bedeutung für die Hochschulen haben dabei der gesellschaftliche Impact und die Sichtbarkeit der Hochschule in der Gesellschaft. Ähnlich wichtig ist die Erwartung, dass aus der Gesellschaft neue Impulse in die Hochschule und in Forschungsfragen einfließen. Nicht zuletzt eröffnen strategische Forschungskooperationen auch Innovationspotenziale der Partner und Finanzierungsmöglichkeiten.
Auf welche Partner sie dabei zugehen, ist aber durchaus unterschiedlich. Unübliche Wissensgeber wie Betroffene (zum Beispiel Patientinnen und Patienten) oder die Einbeziehung kollektiven Wissens (zum Beispiel Internetnutzer und Internetnutzerinnen) bleiben vielen Hochschulleitungen an Universitäten und HAW eher fremd. Spezialisierte und private Hochschulen sehen hier mehr Potenzial für die eigene Arbeit.
Die Gestaltung von Innovation und Transformation entlang der großen gesellschaftlichen Herausforderungen verlangt die Einbindung unterschiedlicher Perspektiven. Die Zusammenarbeit über Sektorengrenzen und Disziplinen hinweg ist deshalb wichtig. Interdisziplinarität bedeutet dabei die Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern aus verschiedenen Disziplinen, bei transdisziplinärer Forschung werden darüber hinaus Akteure aus der Praxis hinzugezogen. Hochschulen sind in der Regel noch stark entlang von Disziplinen organisiert, in der Organisation nach Fachbereichen, aber auch bei Forschung und Lehre. Trotz dieser Strukturen sehen Hochschulen vor allem Hochschulangehörige als Impulsgeber für mehr Inter- und Transdisziplinarität. Konkret sehen die Hochschulleitungen am häufigsten Forschende und Lehrende sowie sich selbst als die Treiber. Politik und Fördermittelgeber spielen aus ihrer Sicht eine kleinere Rolle. Die Partner transdisziplinärer Arbeit, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden hingegen kaum in der Rolle des Taktgebers gesehen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und disziplinäre Tiefe können bei Ressourcen und Reputation auch in einem Zielkonflikt stehen. Vor die Wahl gestellt, bewerten die Hochschulen durchschnittlich die interdisziplinäre Zusammenarbeit als relevanter, mit einer Ausnahme: Staatliche Universitäten würden mehrheitlich die disziplinäre Tiefe in der Lehre nicht gegen mehr Interdisziplinarität eintauschen.