Wie schätzen Hochschulleiter im Jahr 2016 die Lage und die zukünftigen Entwicklungen ihrer Hochschulen ein? Welche Veränderungen lassen sich seit der ersten Befragung im Jahr 2011 feststellen? Antworten darauf gibt der Stifterverband-Index für die deutschen Hochschulen.
Anhand von 17 Indikatoren bildet der Stifterverband-Index die Einschätzungen der Rektoren und Präsidenten zur aktuellen Situation an den Hochschulen und zu den Erwartungen in fünf Jahren ab. Erfasst werden rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, Außenbeziehungen sowie die Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre.
Insgesamt sind die Rektoren und Präsidenten ähnlich zufrieden wie im Jahr zuvor. Die Mehrheit der Hochschulleiter bewertet die aktuelle Lage eher positiv, allerdings fällt der Blick in die Zukunft etwas weniger optimistisch aus. Sorgen bereiten vor allem die zukünftige Finanzierung und Autonomie. Die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch stark nach Hochschulgruppen.
Im sechsten Befragungsjahr zeigt sich der Stimmungsindex insgesamt stabil und liegt im leicht positiven Bereich. Der Stifterverband-Index, der die Urteile der Hochschulleiter über die aktuelle sowie erwartete Situation an ihren Institutionen wiedergibt, liegt bei 20,1 Punkten (–2,8 Punkte im Vergleich zum Vorjahr) auf der zugrunde liegenden Skala von –100 bis +100 Punkten. Die Bewertung der aktuellen Lage hat sich kaum verändert (+0,7 Punkte). Die Entwicklung für die nächsten fünf Jahre wird jedoch etwas schlechter eingeschätzt: Der entsprechende Index ist um 6 Punkte zurückgegangen.
Die Hochschullandschaft und die politischen Rahmenbedingungen für Hochschulen haben sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich verändert. Die Zahl der Studierenden stieg um knapp 15 Prozent und erreichte einen neuen Höchststand. Die Zahl privater Hochschulen wuchs um mehr als ein Drittel. Neue öffentliche Förderprogramme wurden aufgelegt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandorts zu steigern. Trotz dieser Entwicklungen blieb die Stimmung der Hochschulen insgesamt relativ stabil. Doch in einzelnen Bereichen lassen sich klare Veränderungen erkennen: Im Vergleich zum Jahr 2011 schätzen die Hochschulen im Jahr 2016 die Rahmenbedingungen schlechter ein. Dagegen bewerten sie die Zusammenarbeit mit Politik, anderen Wissenschaftseinrichtungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft besser.
Die zukünftige Ausstattung, Autonomie und Finanzierung der Hochschulen betrachten die Hochschulleiter weiterhin eher mit Skepsis. Die drängendsten Sorgen unterscheiden sich dabei nach Hochschulgruppen. Universitäten fürchten vorrangig um ihre zukünftige Autonomie. Der entsprechende Erwartungsindex liegt bei –16,2 Punkten (alle: –3,6 Punkte). Mittlere und kleinere staatliche Fachhochschulen (–25 Punkte) sowie große staatliche Universitäten (–19,2 Punkte) sehen die Entwicklung der Finanzierungssituation in den kommenden fünf Jahren besonders kritisch (alle: –7,5 Punkte). Staatliche Fachhochschulen haben zudem weniger Zuversicht mit Blick auf die zukünftige Ausstattung (–8,0 Punkte, alle: +7,5 Punkte).
Staatliche Hochschulen unterliegen einem breiten Regelwerk mit Vorgaben und Einflussmöglichkeiten der Landes- und Bundespolitik. Private Hochschulen haben deshalb traditionell ihre Entscheidungskompetenzen höher eingeschätzt. Allerdings beklagen sie zunehmend, neue Ansprüche staatlicher Regulierung und ihrer jeweiligen Träger erfüllen zu müssen. In der aktuellen Befragung ist deshalb von einem Mehr an Freiheit für private Hochschulen nichts mehr zu spüren. Gleichzeitig sind die Gestaltungsspielräume staatlicher Einrichtungen in den vergangenen zehn Jahren durch neue Hochschulgesetze tendenziell größer geworden. Staatliche und private Hochschulen schätzen den Grad an Autonomie inzwischen fast gleich hoch ein.
Lehre und Forschung benötigen neben exzellenten Wissenschaftlern auch eine adäquate Infrastruktur, die zum Beispiel Labore, IT-Systeme, Büro- und Lehrgebäude sowie Bibliotheken umfasst. Die Hochschulen bewerten die aktuelle Ausstattung schlechter als vor fünf Jahren. Der entsprechende Index sank um 18 Punkte und liegt aktuell bei 15 Punkten. Noch dramatischer bewerten kleinere staatliche Universitäten mit weniger als 10.000 Studierenden die Entwicklung der Ausstattungssituation. Seit 2011 hat der Indexwert bemerkenswerte 58,6 Punkte verloren.
Hochschulen arbeiten immer besser mit ihren Partnern zusammen. Die Einschätzung der Kooperation mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren erreicht im Jahr 2016 den höchsten Wert seit Beginn der Erhebung. Kooperation ist damit aktuell der am besten bewertete Indikator. Besonders zufrieden sind die Hochschulleiter mit Partnern aus der Politik auf kommunaler Ebene (65,8 Punkte) sowie regionalen Unternehmen (59,8 Punkte). Die Zusammenarbeit mit den anderen Hochschulen wird ebenfalls sehr positiv eingeschätzt. Auch die gesellschaftliche Wertschätzung, die Hochschulen in Deutschland entgegengebracht wird, wird von den Hochschulleitern höher eingeschätzt als in den Vorjahren.
Insgesamt fühlen sich die Hochschulen von der Gesellschaft wertgeschätzt. Sorgen scheinen sich jedoch die Leiter der Eliteuniversitäten aus der Exzellenzinitiative zu machen. Sie bewerten die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Hochschulen seit fünf Jahren schlechter. Ganz anders die Fachhochschulen. Seit 2013 sehen sie eine steigende Wertschätzung durch die Gesellschaft. Mit Blick auf die spezifischen Profile der beiden Hochschulgruppen scheinen die Hochschulleiter also eine sinkende öffentliche Akzeptanz für Grundlagenforschung und mehr Unterstützung für Anwendungsorientierung wahrzunehmen.
Seit 2011 bewerten die Hochschulleiter die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Einrichtung in Forschung und insbesondere Lehre ausgesprochen positiv. In beiden Kategorien erwarten sie zudem weitere Verbesserungen. Doch die Zuversicht im Jahr 2016 ist gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. So fällt der Index für die erwartete Wettbewerbsfähigkeit in der Lehre insgesamt um 10,3 Punkte, an Universitäten sogar um 16,7 Punkte. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Forschung mit einem Rückgang von insgesamt 7,9 Punkten. Beide Indikatoren sind damit auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Befragungen im Jahr 2011.
Universitäten sehen sich traditionell als Ort der Forschung. Fachhochschulen haben dagegen häufig einen Profilschwerpunkt in der Lehre oder im Transfer. Gleichzeitig streben viele Fachhochschulen an, ihre Kapazitäten in der Forschung auszubauen. Verschiedene staatliche Programme wie zum Beispiel FH-Impuls haben das Ziel, diese Forschungskompetenz zu stärken. Dennoch gibt es an Fachhochschulen nur wenig Veränderung bei der Beurteilung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung. Der Vorsprung der Universitäten bleibt also vorerst bestehen, auch wenn diese selbst ihre Wettbewerbsfähigkeit inzwischen etwas schwächer bewerten.
Wirkt sich die Einigung der Politik auf neue große Förderprogramme bereits auf die Stimmung an den Hochschulen aus? Nach dem Beschluss zur Exzellenzstrategie bewerten die Leitungen der Elite-Universitäten die Situation an ihren Hochschulen im Jahr 2016 erstmals am besten. Sie schätzen dabei die aktuelle Lage besonders positiv ein. Große Fachhochschulen blicken ebenfalls hoffnungsvoll in die Zukunft. Das kann auch mit dem Förderprogramm "Innovative Hochschule" zusammenhängen, in dem Transferleistungen prämiert werden. Viele große Fachhochschulen sehen hierin ein wichtiges Profilelement und haben sich an der Ausschreibung beteiligt. Weniger zufrieden zeigen sich die Universitäten ohne bisherige Erfolge im Exzellenzwettbewerb sowie kleinere Fachhochschulen.
Vor fünf Jahren zeigten sich die Leiter privater Fachhochschulen deutlich zufriedener als diejenigen ihrer staatlichen Pendants. Dieses Bild hat sich jedoch gewandelt. Rektoren und Präsidenten privater Einrichtungen schätzen die aktuelle und zukünftige Lage fast kontinuierlich schlechter ein. Schwierigkeiten bei der langfristigen Etablierung am Markt, auch aufgrund weiterer Neugründungen, sowie die begrenzten Möglichkeiten, staatliche Fördergelder einzuwerben, könnten Gründe für die nachlassende Zuversicht bei privaten Hochschulen sein. Doch auch im staatlichen Sektor gehen die Einschätzungen auseinander. Während sich die Stimmung bei großen staatlichen Fachhochschulen verbessert hat, bleibt sie an kleineren staatlichen Fachhochschulen weniger positiv.