Wissenschaftsfreiheit

Drei Viertel der Hochschulleitungen bewerten die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland positiv. Doch es bestehen auch Unsicherheiten.

Die Wissenschaftsfreiheit ist in Deutschland im Grundgesetz verankert und bildet eine zentrale Säule für unabhängige Forschung. Sie ermöglicht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ohne äußeren Druck zu forschen, zu lehren und ihre Ergebnisse öffentlich zu kommunizieren. Dennoch gerät die Wissenschaft immer wieder unter Druck – sei es durch politische Einflüsse, die mediale Darstellung von Ergebnissen oder Angriffe in den sozialen Medien. Wie bewerten also die Hochschulleitungen die aktuelle Lage der Wissenschaftsfreiheit?

Drei Viertel der Hochschulleitungen bewerten die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland als positiv: 51,9 Prozent bewerten sie als eher gut und 24,4 Prozent sogar als sehr gut. Ein Fünftel der Befragten (20,6 Prozent) äußert eine ambivalente Einschätzung. Diese Zahlen zeigen, dass die Hochschulen die Freiheit der Wissenschaft in großen Teilen als gesichert ansehen. Dennoch bestehen auch Unsicherheiten.

Ein Thema, das immer wieder diskutiert wird, ist der Umgang mit der Kommunikation von Forschungsergebnissen, insbesondere in den sozialen Medien und in der politischen Debatte. Fast zwei Drittel der Befragten hält es für wahrscheinlich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgrund ihrer Forschung in sozialen Medien angegriffen werden. Diese Sorge steht in direktem Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen, bei denen Forschende – beispielsweise bei Themen wie Klimawandel oder zur Pandemie – öffentlich unter Druck geraten oder diffamiert werden. Die Gefahr, dass Journalistinnen und Journalisten Forschungsergebnisse verzerrt wiedergeben, verstärkt diese Befürchtungen und zeigt, wie sensibel die öffentliche Kommunikation geworden ist. Dies geben ebenfalls zwei Drittel der Befragten an, während knapp die Hälfte es für wahrscheinlich hält, dass Forschungsergebnisse in öffentlichen Debatten absichtlich falsch interpretiert werden. Die Hochschulleitungen sehen damit also vor allem Schwierigkeiten in der Diskussion wissenschaftlicher Ergebnisse im öffentlichen Raum, sowohl in den Medien als auch in öffentlichen Diskursen in Politik und Gesellschaft.

Unterschiedlich wird der Einfluss externer Geldgeber betrachtet: Während fast die Hälfte (45,6 Prozent) angibt, es für wahrscheinlich zu halten, dass Geldgeber aus der Wirtschaft die Kommunikation von wissenschaftlichen Ergebnissen beeinflussen, tut dies nur etwa jede fünfte Hochschule für die Geldgeber aus der Politik (22 Prozent). Der Unterschied hierbei könnte vor allem darin liegen, dass Forschungsprojekte im Auftrag von Unternehmen meist mit kommerziellen Verwertungsinteressen einhergehen und dementsprechende Vereinbarungen bestehen, um diese entsprechend zu sichern. Das bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Erkenntnisse aus Auftragsforschung unter Umständen nicht auf die gleiche Art und Weise wissenschaftlich verwerten können, wie sie es gegebenenfalls unter anderer Finanzierung tun könnten.

Gefragt nach dem allgemeinen Einfluss auf die Wissenschaft, geben fast zwei Drittel (63,7 Prozent) an, dass der Einfluss der Politik auf die Wissenschaft zu groß sei. Der Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft wird hingegen weniger kritisch gesehen: 38, 5  Prozent der Hochschulleitungen halten diesen für übermäßig, während mehr als die Hälfte angibt, dass er genau richtig sei oder sogar noch ausgebaut werden könnte. Was also den allgemeinen Einfluss im Vergleich zum Einfluss auf die Kommunikation angeht, so dreht sich das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft. Diese Bedenken fügen sich nahtlos in die gegenwärtige Debatte ein, in der der zunehmende Druck auf die Wissenschaft durch politische und wirtschaftliche Interessen regelmäßig thematisiert wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland zwar ein hohes Gut darstellt, aber gleichzeitig Bedrohungen durch äußere Einflüsse wie soziale Medien, finanzielle Abhängigkeiten und politische Rahmenbedingungen wahrgenommen werden. Diese werden insofern relevant, als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunehmend als Akteure in gesellschaftlichen und politischen Konflikten stehen und wissenschaftliche Erkenntnisse eine Schlüsselrolle in der öffentlichen Meinungsbildung und in politischen Entscheidungen spielen.

 

Drei Viertel bewerten Zustand der Wissenschaftsfreiheit als gut

Bewertung der Lage der Wissenschaftsfreiheit durch die Hochschulleitungen; in Prozent

Hochschulen bemängeln Einfluss der Politik –
und wünschen sich selbst mehr Gehör

Bewertung des Einflusses verschiedener Akteure aufeinander durch die Hochschulleitungen; in Prozent

Kritik an Medien und öffentlichen Debatten

Anteil der Hochschulleitungen, die die folgenden Gründe, aus denen Forschende eingeschränkt über ihre Forschung sprechen, als eher wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich einschätzen; in Prozent